10.06.2025 • von Jonas Kellermeyer

Markt- und Trendanalyse im Zeichen des Technologietransfers

Chain with motion blur

Technologietransfers verbinden Forschung und Industrie in immer dichter werdenden Netzwerken, wodurch Innovationen nicht mehr isoliert entstehen, sondern branchenübergreifend beschleunigt werden. Eine zeitgemäße Markt- und Trendanalyse muss diese Wissensflüsse systematisch erfassen und einordnen, um disruptive Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und sie mitunter strategisch zu nutzen.

Grundbegriffe: Marktanalyse, Trendanalyse und Technologietransfer

Was ist eine Marktanalyse?
Eine Marktanalyse untersucht systematisch die Größe, Struktur, Wettbewerbs­verhältnisse und Bedürfnisse eines definierten Marktes. Wesentliche Elemente sind: 
1. Marktvolumen und -wachstum (historisch und prognostiziert)
2. Wettbewerbslandschaft (Key-Player, Marktanteile, Eintrittsbarrieren)
3. Kundenbedürfnisse und Kaufkriterien
4. Angebots- und Nachfrageprozesse

Was ist eine Trendanalyse?
Eine Trendanalyse zielt auf die Identifizierung von längerfristigen Veränderungen und Entwicklungen ab, die das Marktgeschehen beeinflussen. Dazu zählen:
1. Technologische Trends (z. B. Künstliche Intelligenz, Blockchain, Biotechnologie)
2. Soziodemografische Trends (Alterung der Bevölkerung, Urbanisierung)
3. Gesellschaftliche Trends (Nachhaltigkeit, Sharing Economy)
4. Politische/regulatorische Trends (CO₂-Vorgaben, Datenschutzvorgaben)

Was ist mit Technologietransfer gemeint?
Mit dem Begriff des Technologietransfers bezeichnet man den Prozess, bei dem technisches Wissen, Patente oder Prototypen aus Forschungs­einrichtungen (z.B. Universitäten, staatlichen Laboren) in die kommerzielle Verwertung durch Unternehmen überführt werden. Formen des Technologietransfers sind:
1. Lizenzvergaben von Patenten an Industrieunternehmen
2. Ausgründungen (Spin-offs), bei denen Forscher:innen ein eigenes Start-up gründen
3. Forschungskooperationen zwischen Unternehmen und Universitäten
4. Kauf von Intellectual Property (IP) durch M&A-Transaktionen

Warum Technologietransfer für Markt- und Trendanalysen zentral ist

Ein erster wichtiger Aspekt, warum man den Technologietransfer bei jeglicher Markt- und Trendanalyse mitdenken sollte, sind wesentlich beschleunigte Innovationszyklen: verlief Produktentwicklung früher oft sequentiell – Forschung → Prototypen → Serienfertigung – da muss man sich heutzutage auf ein betont nicht-konsekutives, bzw. disruptives Verfahren einstellen. Durch Technologietransfer werden innovative Verfahren oder Komponenten (z. B. neue Fertigungsverfahren, Materialien, Algorithmen) wesentlich schneller in die industrielle Anwendung überführt. Eine Marktanalyse, die solche „externen“ Innovationsimpulse nicht berücksichtigt, unterschätzt häufig das tatsächliche Tempolimit innerhalb der jeweiligen Branche.

Ein weiterer Faktor, der die Bedeutung des Technologietransfers anzeigt, ist die massive Erweiterung des Wettbewerbsfeldes. Wenn Universitäten neue Verfahren patentieren und Start-ups diese Technologien lizenzieren, entstehen häufig disruptive Marktteilnehmer – nicht mehr nur im Silicon Valley, sondern mittlerweile eben auch im Herzen Europas. Diese Newcomer können etablierten Anbietern signifikant Marktanteile abnehmen. Eine Trendanalyse muss daher explizit auch Technologietransfers erkennen, die gerade das Entstehen von Wettbewerbern in verschiedenen Nischen bedingen.

Auch ein in Veränderung begriffenes Partner- und Versorgungsnetzwerk spielt eine wichtige Rolle hinsichtlich der zentralen Bedeutung des Technologietransfers hinsichtlich durchzuführender Markt- und Trendanalysen. Unternehmen arbeiten heute oft in Co-Creation-Modellen mit externen Forschungspartnern. Solche Netzwerke sind wertvoll für frühzeitige Trendprognosen: Wenn im Rahmen eines Technologie-Scoutings beispielsweise festgestellt wird, dass ein bestimmtes Institut weltweit führend in Photonik-Materialien ist, müssen Unternehmen relativ zeitnah entscheiden, ob und wie sie in diese neu entstehende Wertschöpfungskette einsteigen möchten.

Die Bedeutung regulatorischer Rahmenbedingungen und entsprechender Förderprogramme ist ebenfalls nicht zu unterschätzen: viele staatliche Fördermittel (EU-Horizon-Programme, nationale R&D-Förderungen, u.v.m.) zielen ausdrücklich auf einen sich vollziehenden Technologietransfer ab. Die Bedingung für Zuschüsse dieser Art ist oft, dass Forschungsergebnisse kommerzialisiert oder als Open-Source veröffentlicht werden. Eine Marktanalyse, die diese Förderstrukturen berücksichtigt, kann dabei helfen, die Eintrittsbarrieren für neue Technologien besser einzuschätzen.

Methodisches Vorgehen: Markt- und Trendanalyse unter Einbindung von Technologietransfers

Bevor eine klassische Marktsegmentierung erfolgt, ist es wichtig, unter Zuhilfenahme von Technologie-Scouting jene Forschungsaktivitäten und Patentanmeldungen zu identifizieren, die direkten Einfluss auf das Branchenumfeld haben. Diesbezüglich lohnt sich ein regelmäßiger Blick in die relevanten Quellen für Technologie-Scouting ungemein:
1. Patentdatenbanken (z. B. Espacenet, Google Patents)
2. Wissenschaftliche Publikationen und Konferenzbeiträge
3. Newsletter von Technologietransfer-Einrichtungen (Universitäten, Fraunhofer-Institute)

Nachdem die wichtigsten Daten gesichtet wurden, müssen sie geordnet werden, um im Anschluss hieran eine valide Entscheidungsfindung zu begünstigen. Hierfür lohnt sich eine Ordnung nach dem jeweiligen technologischen Reifegrad (Technology Readiness Level, TRL). In einer relativ simplen Matrix können die jeweiligen Trends eingeordnet werden: auf der X-Achse befindet sich die Marktreife (TRL) und auf der Y-Achse wird das Marktpotenzial (prognostizierter Umsatz) abgebildet. Technologien, die sich in mittleren TRLs befinden, aber ein hohes Marktpotenzial haben, gelten als “Emerging Innovations” und es gilt sie im Rahmen der Trendanalyse besonders genau zu beobachten.

Forschungsergebnisse sind nur dann wirklich relevant, wenn es gelingt, sie in kommerziell nutzbare Anwendungen zu überführen. Daher erhebt eine fundierte Marktanalyse sowohl laufende Förderprojekte (“Welches Budget und welche Partner stehen im EU-Programm "Horizon Europe" oder im nationalen R&D-Förderprogramm zur Verfügung?”) als auch Lizenzvergaben und Spin-offs (“Welche Universität hat welche Technologie lizenziert?”) Von der Lizenzhöhe und den Kooperationspartnern lässt sich oft auf den spezifischen Wert der jeweiligen Technologie schließen.

Auf Basis der bis hierher gesammelten Technologie-Insights erfolgt dann die eigentliche Marktanalyse: Es geht u.a. um eine Marktsegmentierung nach Technologie-Adoptionsgrad, bei der zwischen Early Adopters, also Unternehmen, die bereits in Pilotprojekten mit Transfertechnologien arbeiten (z. B. Start-ups, Innovationslabore), Early Majority, d.h. KMUs, die bewusst an Förderinitiativen teilnehmen, um erste Transfertechnologien zu integrieren und einer Late Majority, bestehend aus klassische OEMs, die erst nach erfolgreicher Marktdurchdringung einsteigen unterschieden wird.

In einem nächsten Schritt geht es um die explizite Bewertung des Wettbewerbs, sprich um die Wettbewerbsanalyse. Hier geht es vor allem darum, ein kohärentes Bild der Situation bei Konkurrenten und Mitbewerbern zu erlangen.
Incumbents vs. Disruptors: Traditionelle Anbieter, die eigene Inhouse-R&D betreiben, stehen disruptiven Start-ups gegenüber, die durch Technologietransfer aus Universitäten und Agenturen entstandene Innovationen nutzen.
Kooperationsnetzwerke: Partnerdiagramme (etwa in Form von Mindmaps), die Zulieferer, Hochschulinstitute und potenzielle Lizenznehmer abbilden zu zeichnen, kann als besonders zielführend gelten.

Aufbauend auf dem Technologie-Mapping und der Marktsegmentierung lassen sich nun mögliche Zukunftsszenarien skizzieren, die in einer Trendprognose münden und eine Szenario-Planung zulassen:

Szenario “Technologie-Turbo”: Transfertechnologien laufen schneller als erwartet, der Markt einer disruptiven Innovation (z. B. Quantencomputing) öffnet sich bereits in 5 statt 10 Jahren. Folge: Klassische Geschäftsmodelle geraten unter Druck – Unternehmen müssen frühzeitig Pilotprojekte starten, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Szenario “Regulatorische Bremse”: Strenge Datenschutz- und Sicherheits­anforderungen verzögern Technologietransfers (beispielsweise bei KI-Anwendungen im Gesundheitswesen). Folge: Markt­treiber passen ihre Roadmaps an und fokussieren sich vorerst auf weniger stark regulierte Anwendungsfälle.

Konkrete Anwendungsbeispiele

Das bis hierher gesagte soll nun anhand von drei exemplarischen Praxisbeispielen mit Leben gefüllt werden, damit es möglich wird, sich ein exemplarisches Bild der Markt- und Trendanalyse im Zeichen des Technologietransfers zu machen.

1. Automobilindustrie & Batterie-Forschung
Ein Batterie-Forschungsinstitut lizenziert neuartige Feststoffbattiertechnologien an mehrere mittelständische Batteriehersteller. Eine Marktanalyse, die diesen Transfer nicht berücksichtigt, würde den Elek­troauto-Markt unterschätzen. Durch die Integration dieser Transferdaten können OEMs ihre Produktions- und Einkaufstrategie anpassen und Kooperationspartner auswählen, um Versorgungsketten zu sichern.

2. Biotechnologie & Gesundheitsmarkt
Ein Universitätslabor entwickelt ein neues Antikörper-Screeningverfahren. Verschiedene Pharma-Start-ups lizenzieren dieses Verfahren, um neue Immuntherapien herzustellen. Eine Trendanalyse identifiziert diesen Technologietransfer früh und prognostiziert dadurch, wie sich die Nachfrage nach Biotechnologie-Dienstleistungen verändert und welche Zulieferbranchen (z. B. Reinraumtechnik) profitieren.

3. Digitale Landwirtschaft (AgriTech)
Forschungseinrichtungen transferieren Drohnen-basiertes Monitoring-System für präzise Feldanalyse an Agrar-Start-ups. Marktanalyst:innen erkennen dadurch, dass Sensorik und Predictive-Analytics-Dienste für Bauernhöfe innerhalb weniger Jahre zu einem Milliardenmarkt wachsen. Landmaschinenhersteller reagieren mit eigenen Partnerschaften und Servicepaketen.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Wer sich wahrhaft zukunftssicher zu positionieren sucht, für den gibt es ein paar Punkte, die zu beherzigen einen guten Ausblick auf das, was noch kommen mag erlauben: einerseits geht es darum, frühzeitiges Technologie-Scouting zu implementieren. Mittels Implementierung eines dedizierten “Technology Radars”, das kontinuierlich Patentdatenbanken, Wissenschaftspublikationen und Förderdaten auswertet, können potenzielle Technologietransfers, erkannt werden, bevor Wettbewerber sie nutzen.
Daneben geht es immer auch darum, interdisziplinäre Kompetenzen zu fördern. Das bedeutet, neben Market- & Business-Analyst:innen auch Rechtsexpert:innen (Patentrecht, Lizenzverträge) und selbst natur-, sozial- und geisteswissenschaftlich geschulte R&D-Verantwortliche in die Analyseprozesse mit einzubeziehen. So ist es möglich, ein ganzheitliches Bild der Chancen und Risiken von Technologietransfers zu erhalten und mögliche Konsequenzen aus verschiedenen Blickwinkeln heraus zu eruieren.
Immer, wenn es um den gegenwärtigen Stand der Technologie geht, ist der Topos des Netzwerkens nicht fern. Kooperation ist auf so vielen Ebenen ein unverzichtbarer Teil einer nach vorne gerichteten Geschäftspraxis. Ein direkter Draht zu verschiedenen Expert:innen erlaubt es, etwaige Entwicklungen unmittelbar mitzugestalten.
Die regelmäßige Durchführung von Strategie-Workshops ist besonders gut geeignet, um die gesamte Belegschaft dazu in die Lage zu versetzen, ihre Wirksamkeit unter Beweis zu stellen. Ein guter Strategie-Workshop zeichnet sich unterdessen durch eine adäquate Trivialisierung bahnbrechender Erkenntnisse aus, die letzten Endes so übersetzt werden, dass jede:r sie in seinem/ihren jeweiligen Bereich umzusetzen vermag.
Last but not least sollten wir über den sprichwörtlichen Elefanten im Raum sprechen: es geht um Investitionen – und zwar vor allem um solche in Flexibilität und Agilität. Cutting Edge und Avantgarde haben ihren Preis. Damit sich Gewinne erwirtschaften lassen, ist es wichtig, R&D als eine Ausdauerdisziplin zu betrachten, bei der Quick Wins die Ausnahme sind. Das gilt auch und gerade für gut durchdachte Markt- und Trendanalysen. Wer sich langfristig mit den Entwicklungen in seiner jeweiligen Branche befasst, der wird über die Zeit hinweg auch wichtige Insights gewinnen, die den Unterschied zwischen gut und brillant machen können.

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Fazit: Die zentrale Stellung der Markt- und Trendanalyse

All das hier geschriebene verdeutlicht einen zentralen Punkt: die Markt- und Trendanalyse im Zeitalter des Technologietransfers ist mehr als eine reine Datenaufbereitung. Sie erfordert ein proaktives, vernetztes Vorgehen, das Wissenstransfers zwischen Forschung und Industrie systematisch sichtbar macht. Nur wer Technologietransfers frühzeitig identifiziert, sie in die jeweils als relevant identifizierte Marktstruktur einbettet und ihre Implikationen in greifbare Szenarien übersetzt, kann valide Prognosen erstellen. Unternehmen, die sich einer solchen Methodik verschließen, riskieren, von disruptiven Innovationswellen empfindlich überrascht und getroffen zu werden. Im Umkehrschluss bietet eine fundierte Integration von Technologietransfer-Daten die Chance, Entwicklungstrends nicht nur zu verfolgen, sondern selbst maßgeblich mitzugestalten und damit einen Wettbewerbsvorteil nachhaltig zu sichern.

Bei alledem ist ein starker Innovationspartner an der eigenen Seite bereits die halbe Miete.

Über den Autor

Jonas ist Kommunikationsexperte und zeichnet sich seinerseits verantwortlich für die sprachliche Darstellung der Taikonauten, sowie hinsichtlich aller öffentlichkeitswirksamen R&D-Inhalte. Nach einiger Zeit in der universitären Forschungslandschaft ist er angetreten, seinen Horizont ebenso stetig zu erweitern wie seinen Wortschatz.