26.05.2025 • von Jonas Kellermeyer
Logbuch #1

Hervorragende Forschung bedarf einer ebenso hervorragenden Dokumentation. Um eine solche zu garantieren, wollen wir euch in Zukunft in regelmäßigen Abständen mit unserem Logbuch auf dem laufenden halten. Den Anfang macht ein Forschungsbericht zu den von uns mit Proband:innen durchgeführten Tests der Interface-Individualisierung der MR-Software.
Einleitung
Im Kontext digitaler Lernumgebungen gewinnen immersive Technologien wie Mixed Reality (MR) und personalisierte Inhalte zunehmend an Bedeutung. Aktuelle Forschung deutet darauf hin, dass die Berücksichtigung individueller Lernpräferenzen zur Erhöhung der Motivation beitragen kann. Die von uns durchgeführte explorative Studie untersuchte, ob personalisierte Darstellungen in einer MR-basierten Galerieansicht, die an visuelle oder kinästhetische Lernpräferenzen angepasst sind, zu höherer Motivation im Vergleich zu einer standardisierten, nicht-personalisierten Version führen.
Methode
Forschungsfrage und Hypothese
Die übergeordnete Teilforschungsfrage lautete: Kann eine speziell personalisierte Darstellung in einer XR-Galerieansicht die Motivation stärker fördern als eine standardisierte Darstellung? Die entsprechende Hypothese hierzu sah unterdessen wie folgt aus: Wenn die Galerieansicht die individuellen Lernpräferenzen der Nutzer:innen durch Anpassung berücksichtigt (kinästhetische oder visuelle Darstellung), steigt die Lernmotivation stärker als bei einer standardisierten, nicht-personalisierten Übersicht.
Versuchsaufbau
Im Rahmen eines ZIM-Förderprojekts wurden nun drei Prototypen zur Darstellung von Informationsübersichten in einer XR-Umgebung entwickelt. H0 stellte eine standardisierte, nicht-personalisierte Version dar. H1 war an visuelle Lernpräferenzen angepasst (vor allem durch die Nutzung eines Zeitstrahls und kohärenter Bildverankerungen), H2 berücksichtigte kinästhetische Aspekte (also eine explizit raumbezogene Anordnung der Elemente und Navigationsmechanismen). Die Teilnehmenden (n = 9) durchliefen jeweils H0 und entweder H1 oder H2 in randomisierter Reihenfolge. Dabei war eine entsprechende Vorauswahl bereits getroffen worden – es wurde also vorab bereits erhoben, wer visuell und wer eher einästhetisch veranlagt war. Anschließend an die Durchführung des Tests wurden zudem qualitative Interviews sowie eine quantitative Erhebung durchgeführt, deren Ergebnisse wir letztlich in Form einer sach- und fachgerechten Auswertung aufbereiteten.
Qualitative Erhebung
Die Interviews wurden auf Grundlage der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Kategorisierung erfolgte deduktiv entlang von vier Hauptkategorien: (1) Wahrnehmung und erste Reaktionen, (2) Vergleich der Darstellungsformen und Usability, (3) Motivationale Einflüsse und Nutzungspräferenzen sowie (4) Personalisierung und individuelle Anpassung. Insgesamt wurden zehn deduktive Codes verwendet, darunter "Initiale Wahrnehmung", "Vergleichende Differenzierung", "Motivationsfaktoren" und "Wunsch nach Individualisierung”.
Quantitative Erhebung
Die quantitative Datenerhebung erfolgte mittels einer Likert-Skala, basierend auf Items der Intrinsic Motivation Inventory (IMI) und der Self-Determination Theory (SDT). Ein One-Sample T-Test gegen den neutralen Mittelwert wurde durchgeführt. Die Skalen erfassten Aspekte wie Interesse, Freude, wahrgenommene Passung zur Lernpräferenz sowie Verständnis und Nutzung der dargestellten Inhalte.
Ergebnisse
Quantitative Analyse
In Cluster A („Spaß, Interesse und Passung“) wurde die personalisierte Darstellung signifikant positiver bewertet als der Vergleichswert der Skala (M = 5.48, SD = 1.06), t(8) = 4.21, p = .003. Die Effektstärke nach Cohen’s d liegt bei 1.40 und weist damit auf einen sehr großen Effekt hin.
In Cluster B („Verständnis und Nutzung“) wurde hingegen kein signifikanter Effekt festgestellt (t(8) = 0.77, p = .464), und auch die Effektstärke (d = 0.26) deutet auf einen geringen Effekt hin.
Qualitative Analyse
Die qualitative Analyse bestätigte die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung. Die personalisierte Variante wurde von den meisten Teilnehmenden als motivierender, übersichtlicher und natürlicher empfunden. Besonders positiv hervorgehoben wurden die räumliche Einbettung, die Verknüpfung mit dem eigenen Nutzungskontext und vertraute Interaktionsmuster. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die standardisierte Variante als künstlich, überladen oder schwerer navigierbar empfunden wurde. Vielfach äußerten die Teilnehmenden Wünsche nach weitergehender Individualisierung (z. B. thematische Relevanz, visuelle Anpassungen, Vergleichsfunktionen), die sich in den angepassten Varianten H1 und H2 noch nicht wiederfanden.
Diskussion
Die Ergebnisse stützen die Hypothese im Hinblick auf die motivationalen Effekte personalisierter Darstellungen. Besonders die visuelle Variante (H1) wurde als angenehmer und motivierender erlebt. Die positiven Bewertungen in Cluster A („Spaß, Interesse und Passung“) sprechen dafür, dass die personalisierte Darstellung gezielt zur Steigerung der Nutzungsmotivation beitragen kann.
Trotz der geringen Stichprobengröße (n = 9) wurde für Cluster A ein signifikanter Unterschied gegenüber dem neutralen Mittelwert gefunden. Jedoch ist der t-Test aufgrund des kleinen Stichprobenumfangs nur eingeschränkt aussagekräftig, da bereits einzelne Ausreißer den Mittelwert stark beeinflussen können. Aussagekräftiger ist in diesem Zusammenhang die Effektstärke nach Cohen’s d: Mit einem Wert von 1.40 liegt ein sehr großer Effekt vor, der auch bei kleinen Stichproben als robuster Hinweis auf eine starke Wirkung gewertet werden kann.
In Cluster B blieb ein solcher Effekt aus, was möglicherweise mit der technisch und didaktisch noch nicht ausgereiften Umsetzung zusammenhängt. Die personalisierte Darstellung ermöglichte zwar mehr visuelle Orientierung, unterstützte jedoch nicht automatisch ein vertieftes Verständnis oder eine intensivere Nutzung der Inhalte.
Die qualitativen Interviews bestätigen dieses Bild: Während personalisierte Darstellungen emotional und gestalterisch sehr gut ankamen, wurde das inhaltliche Potenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft. Besonders die fehlende Tiefe der Informationen und gelegentliche technische Störungen (z. B. bei Ton, Navigation oder Ladezeiten) wurden wiederholt kritisiert. Auch wurde das zugrundeliegende Narrativ nicht vollständig durchdrungen, was es für zukünftige Testings dringend zu verbessern gilt.
Fazit
Die vorliegende Studie zeigt, dass personalisierte Darstellungen in XR-Informationsräumen das Potenzial besitzen, die Nutzung von MR-Trainings angenehmer zu gestalten und so auch die Motivation der Nutzer:innen positiv zu beeinflussen. Insbesondere die visuelle Anpassung an individuelle Lernpräferenzen trug zu einer höheren empfundenen Passung, größerem Interesse und mehr Freude an der Nutzung bei. Zur Vertiefung der Ergebnisse sind Anschlussstudien mit größerer Stichprobe, technischer Optimierung und gezielterer didaktischer Gestaltung erforderlich. Die Erkenntnisse könnten langfristig zur Verbesserung digitaler Lernumgebungen im Bereich XR und im Zusammenspiel mit starker KI beitragen.
Da uns daran gelegen ist, unsere Forschung möglichst transparent zu kommunizieren, ist die fortlaufende Kategorie des Logbuchs eine wichtige Komponente, um dies zu bewerkstelligen. In regelmäßigen Abständen werden wir euch über unsere getätigten Schritte auf dem Laufenden halten und gesammelte Erkenntnisse mit der Allgemeinheit teilen.