13.05.2025 • von Jonas Kellermeyer

Die Zukunft begreifen – Die Bedeutung physischer Prototypen

Wenn wir den Einfluss zukünftiger technologischer Realitäten auf unsere individuellen Existenzen erfahrbar machen wollen, führt kein Weg an der Schaffung physischer Prototypen vorbei. Nur durch sie begreifen wir wirklich!

Von Visionen einer zukünftigen Gegenwart und gegenwärtigen Zukunftsentwürfen

Sich mit der Zukunft zu befassen ist immer ein hochspekulatives Unterfangen. Wir alle tun es von Zeit zu Zeit, doch die allerwenigsten beschäftigen sich in professioneller Hinsicht mit der Erschaffung einer potenziell belastungsfähigen Vision zukünftiger Gegenwart. Eine solche muss scharf abgetrennt werden von der wesentlich gängigeren Art und Weise bevorstehende Zeiten zu charakterisieren: nämlich als gegenwärtige Zukunftsentwürfe. Wo es sich bei diesen um eine fantasievolle Schöpfung handelt, bei der die Fiktion eine wesentliche Rolle spielt, geht es bei jenen um eine nüchternere Evaluation der sich bietenden Möglichkeiten. Im Großen und Ganzen liegt der Unterschied in der Intensität der jeweiligen Entwürfe: Wo sich gegenwärtige Zukunftsentwürfe vor allem an den Werten und Normen des Hier und Jetzt abarbeiten, und die Vision letztlich als Resultat aktueller Tendenzen geltend machen, da liegt die Kunst bei der Ersinnung einer zukünftigen Gegenwart darin, sich von den Normen, wie wir sie heute für grundlegend halten, weitgehend zu emanzipieren. Eine objektbasierte Idee des Lebens in einer anderen Zeit steht am Ende eines entsprechenden Ideationsvorganges. Wo ein gegenwärtiger Zukunftsentwurf also vor allem als (utopische) Erzählung verbleibt, da sind zukünftige Gegenwarten auf haptische Qualitäten angewiesen, wollen also physisch begriffen werden. Das alles führt uns vom bloßen (ideellen) Diskurs zur manifesten (materiellen) Gestaltung.

Vom spekulativen Diskurs zum spekulativen Design

Wollen wir uns professionell mit der Zukunft auseinandersetzen, ist das Ziel entscheidend: Geht es uns darum, aktuelle Haltungen und Handlungsweisen kritisch zu reflektieren, oder wollen wir kommende Realitäten möglichst akkurat und lebendig erfahrbar machen? Beide Perspektiven haben ihre Berechtigung, bauen jedoch auf fundamental unterschiedlichen Grundlagen auf.

Um ein realistisches Verständnis und eine glaubwürdige Vorstellung einer zukünftigen Zeit zu vermitteln, ist die Entwicklung eines konkreten Look & Feel entscheidend. Um nachvollziehbar zu machen, wie etwas tatsächlich funktionieren könnte, brauchen wir physische Objekte, die wir berühren und dadurch wirklich begreifen können. Ein rein spekulativer Diskurs bleibt ohne spekulatives Design in dieser Hinsicht begrenzt. Erst wenn Visionen zu greifbaren Prototypen werden, lässt sich Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes begreifen.

Prototypen als Brücke zwischen Konzept und Realität

Physische Prototypen dienen dabei nicht nur der Validierung und Kommunikation von Ideen, sondern sind zugleich Mittel, um abstrakte Konzepte in konkretes Wissen zu transformieren. In der Begegnung mit Prototypen entdecken Nutzer:innen und Gestalter:innen gleichermaßen neue Fragen und unerwartete Lösungen. Die Interaktion mit greifbaren Modellen eröffnet uns generell Perspektiven, die in rein theoretisch angelegten Überlegungen nicht sichtbar werden (können).

Insofern fungieren Prototypen als Kommunikationsmedium zwischen den unterschiedlichen Akteuren eines Innovationsprozesses: Sie helfen, Missverständnisse situativ zu reduzieren, fördern ein gemeinsames Verständnis und ermöglichen iterative Verbesserungszyklen. Besonders in der Entwicklung technologischer Innovationen und im Rahmen entsprechender Forschung sind sie unverzichtbar, da sie nicht nur technische Funktionalitäten, sondern gerade auch kulturelle und soziale Implikationen erfahrbar machen.

Letztlich sind physische Prototypen mehr als nur Vorstufen zu fertigen Produkten. Sie sind essenzielle Werkzeuge, die unsere kollektive Vorstellungskraft erweitern und eine handlungsorientierte Auseinander­setzung mit der Zukunft ermöglichen, die immersiver kaum sein könnte.

Prototyping the Future(s)

In unserem Kurs „Prototyping the Future(s)“ widmen wir uns genau dieser Aufgabe. Ziel ist es, den Teilnehmenden nicht nur theoretische Methoden und Werkzeuge an die Hand zu geben, sondern sie unmittelbar in die Lage zu versetzen, eigene Zukunftsentwürfe physisch zu realisieren. Dabei werden konkrete Prototypen entwickelt, welche dazu befähigen, abstrakte Ideen zu veranschaulichen, miteinander zu diskutieren und letztlich greifbare Erkenntnisse für eine bewusste Gestaltung zukünftiger Lebenswelten zu gewinnen. Dieser Kurs zeigt deutlich, wie wichtig es ist, durch die physische Interaktion mit materiellen und digitalen Prototypen ein Gefühl für die Welt von (über-)morgen zu gewinnen.

Über den Autor

Jonas ist Kommunikationsexperte und zeichnet sich seinerseits verantwortlich für die sprachliche Darstellung der Taikonauten, sowie hinsichtlich aller öffentlichkeitswirksamen R&D-Inhalte. Nach einiger Zeit in der universitären Forschungslandschaft ist er angetreten, seinen Horizont ebenso stetig zu erweitern wie seinen Wortschatz.