08.07.2025 • von Jonas Kellermeyer

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG): Mehr digitale Teilhabe für alle

Eine Rollstuhlfahrerin (POC) in Bewegung begriffen, mit Bewegungsunschärfe. Hinter ihr zwei weitere Personen.

Seit dem 28. Juni 2025 ist in Deutschland das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Es verpflichtet erstmals auch private Unternehmen, bestimmte Produkte und digitale Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Ziel des BFSG ist es, Menschen mit Behinderungen, älteren Personen und weniger technikaffinen Nutzer:innen einen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Angeboten zu ermöglichen.

Was regelt das BFSG?

Das BFSG setzt die EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act) in deutsches Recht um. Es gilt für Produkte, die ab dem 28. Juni 2025 in Verkehr gebracht werden, sowie für Dienstleistungen, die ab diesem Datum Verbrauchern angeboten werden.
Betroffene Produkte und Dienstleistungen umfassen unter anderem:

  • Digitale Produkte: Computer, Tablets, Smartphones, E-Book-Reader, Fernseher mit Internetzugang, Geldautomaten, Fahrkartenautomaten.
  • Digitale Dienstleistungen: Webseiten und Apps im E-Commerce, Online-Banking, Telekommunikationsdienste, E-Book-Plattformen, Buchungssysteme im Personenverkehr.

Ausgenommen von der Regelung sind Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro, sofern sie ausschließlich Dienstleistungen anbieten.

Was bedeutet digitale Barrierefreiheit?

Digitale Produkte und entsprechende Dienstleistungen gelten dann als barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen und/oder Einschränkungen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe nutzbar daher kommen.
Ein barrierefreier Ansatz umfasst dementsprechend vor allem die folgenden Punkte:

  • Textalternativen (sogenannnte ALT-Tags) für Bilder und Grafiken
  • Untertitel und Audiodeskriptionen für Videos
  • Tastaturbedienbarkeit aller Funktionen
  • Hohe Kontraste und anpassbare Schriftgrößen
  • Kompatibilität mit Screenreadern und anderen assistiven Technologien

Die technischen Anforderungen orientieren sich an der europäischen Norm EN 301 549 sowie den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1, mind. Level AA).

Übergangsfristen und Ausnahmen beim BFSG

Solltet ihr bisher nicht tätig geworden sein und nun bestürzt feststellen, dass das BFSG auch euer Unternehmen betrifft, keine Panik: für bestimmte bestehende Produkte und Dienstleistungen gelten Übergangsfristen:

  • Dienstleistungen, die vor dem 28. Juni 2025 rechtmäßig erbracht wurden, dürfen bis zum 27. Juni 2030 weiterhin angeboten werden.
  • Selbstbedienungsterminals, die vor dem 28. Juni 2025 in Betrieb genommen wurden, dürfen bis zum 27. Juni 2040 genutzt werden.

Betreibt ihr jedoch einen Online-Shop, oder seid gar im öffentlichen Sektor tätig, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, sich um die Umsetzung des BFSG zu bemühen!
Für den Bereich des öffentlichen Sektors ist vor allem die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) zu beachten. Diese stützt sich in technischer Hinsicht ebenfalls auf die Europäische Norm EN 301549 Vers. 3.2.1. (“Accessibility requirement for ICT products and services”) und definiert die spezifischen Anforderungen an die Barrierefreiheit für Websites, mobile Anwendungen, Software und Selbstbedienungsterminals. Es existieren adäquate Schnelltests, die euch Handlungsbedarfe zumindest heuristisch aufzuzeigen vermögen. Für eine In-Depth-Analyse, bietet sich der Einsatz von Expert:innen an.

Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung des BFSG

Sicherlich fragt sich der eine oder die andere von euch nun: “Aber was drohen denn überhaupt für Strafen, wenn wir das BFSG geflissentlich ignorieren?” Worauf die einhellige Antwort wie folgt ausfallen dürfte:

  • Empfindliche Bußgelder und Untersagung des Vertriebs nicht-konformer Produkte
  • Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbände
  • Reputationsverlust und mögliche Kundenabwanderung zur Konkurrenz

Die Marktüberwachung obliegt unterdessen den zuständigen Behörden der einzelnen Bundesländer.

Handlungsempfehlungen zum Thema Barrierefreiheit für Unternehmen

Um den Anforderungen des BFSG gerecht zu werden, sollten Unternehmen vor allem die nachstehenden Punkte berücksichtigen:

  1. Bestandsaufnahme der aktuellen digitalen Angebote durchführen
  2. Barrierefreiheits-Audit nach EN 301 549 und WCAG 2.1 Level AA durchführen
  3. Maßnahmenplan zur Behebung identifizierter Barrieren erstellen
  4. Mitarbeitende schulen und Verantwortlichkeiten festlegen
  5. Erklärung zur Barrierefreiheit auf der eigenen Website veröffentlichen

Eingehende Unterstützung wird Verantwortlichen von Profis geboten, die sich mit dem Thema der Barrierefreiheit bereits seit geraumer Zeit auseinander setzen.

Das BFSG markiert einen wichtigen Schritt hin zu mehr digitaler Inklusion. Unternehmen, die Barrierefreiheit bereits zu einem Kern ihrer Identität ausgearbeitet haben, profitieren nicht nur von rechtlicher Sicherheit, sondern erschließen auch neue Kundengruppen und stärken ihre Markenreputation.

Fazit zur digitalen Barrierefreiheit und dem BFSG

Barrierefreiheit ist mehr als bloß eine leidige Pflicht – es geht nicht darum, Menschen zu gängeln. Viel eher steht die Chance im Vordergrund, neue Kundschaft zu gewinnen. Gerade in einer alternden Gesellschaft kann es als wichtig gelten, zusehends auch an eben diese Bevölkerungsgruppe zu denken, wenn man sich um die digitale Kommunikation der eigenen Leistungen kümmert.

2025 steht gänzlich im Zeichen der Barrierefreiheit. Seit dem 28. Juni diesen Jahres gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und mahnt einen entsprechenden Umgang mit geschäftswichtigen Websites an. Das sind eigentlich gute Nachrichten, denn es geht darum, jedem Menschen den potenziell gleichen Zugang zu Webinhalten zu gewähren – unabhängig von seiner expliziten körperlichen Verfassung. Es bedeutet aber für euch möglicherweise Arbeit! Ihr wollt auf Nummer sicher gehen? Bei den Taikonauten verfügen wir über einiges an Wissen, das wir gerne an euch weitergeben. Im Rahmen eines Workshops informieren wir euch über die gängigen Tipps und Tricks in Sachen Barrierefreiheit und finden kreative Lösungen und Workarounds für individuelle Problemstellungen. Kontaktiert uns gerne via Email.

Über den Autor

Jonas ist Kommunikationsexperte und zeichnet sich seinerseits verantwortlich für die sprachliche Darstellung der Taikonauten, sowie hinsichtlich aller öffentlichkeitswirksamen R&D-Inhalte. Nach einiger Zeit in der universitären Forschungslandschaft ist er angetreten, seinen Horizont ebenso stetig zu erweitern wie seinen Wortschatz.

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